Dr.phil. A. Oltmann
Eröffnungsrede zur Ausstellung von
Susanne Bender in der Galerie A. Oltmann in München, Februar
2000
Die konkrete Malerei, die in den 30er Jahren im Umkreis des
Bauhauses und der De Stijl Gruppe so benannt und ausgeübt wurde,
lässt sich heranziehen um Ziele der Malerei Susanne Benders zu
benennen. Mittels der Einordnung ihrer Arbeiten als konkrete
Kunst kann man ihre Arbeiten sehr gut fassen. Ein Werk der
konkreten Malerei, so formulierte es die klassische Moderne,
soll eine geometrisch, strukturelle Zielsetzung haben. Die
Bildkonstruktion soll einfach und kontrollierbar sein. Es geht
bei der konkreten Malerei um die Rationalität der
Gestaltungsvorgänge am Bild. Es geht um die Erforschung der
Gesetze der Farbe und um die Reduktion der Formensprache. Die
Bildelemente ordnen sich auf der Oberfläche in rhythmisierter
Form an. So geschieht es auch bei Susanne Bender. Wir sehen
Bilder, die einfache Strukturen zeigen: Einmal gibt es Arbeiten
mit waagerechten und senkrechten Linien, die sich mäandernd von
einer Bildseite zur anderen bewegen. Diese Linien stellen
Strukturen der Erde und des Bodens dar. Eine andere Art von
Gestaltung ist es, mit flächendeckenden Spiralen oder
knäuelartigen Verschlingungen das Bild locker zu bedecken. Bei
diesen Formen denkt Susanne Bender an Kreise, die sich im Wasser
bilden, wenn man kleine Steine hineinwirft oder wenn
Wassertropfen hineinfallen.
Technisch gesehen baut Susanne Bender diese Arbeiten so auf,
dass diejenige Struktur, die später am Bild auch strukturell am
stärksten sichtbar wird, zuerst als Grundierung auf die Leinwand
aufgebracht wird. Dann folgen Farbschichten in Acryl und
glättende Ölfarbschichten. Die eigentliche Farbwirkung wird
letztlich mittels Lasuren erzielt. Die Orangen Bilder sind zum
Beispiel mit so vielen Lasuren versehen worden, dass sie fast
weiß scheinen. Und dies führt nun auch zu der Begründung, warum
diese Ausstellung „Zwielicht“ heißt. Susanne Bender nimmt den
Farben durch ihre titanweißen Lasuren die Härte. Sie moduliert
dieses neblige, diffuse Weiß so, dass eine Raumwirkung erzeugt
wird, die die Farben in den Hintergrund drängt. Das genau ist
die „Zwielicht-Situation“. Künstler der konkreten Kunst wie
Gotthard Graubner und Raimund Gierke sprechen der Farbe Weiß
auch solche Eigenschaften zu. Gierke gibt seinen weißen Bildern
Titel wie: „Weiße Welt“ oder „Zwielicht“. Gotthard Graubner
schuf Gemälde mit dem Titel „Nebelraum“, wo in Weiß gebrochene
Farben sich körperlos verdichten und in den Betrachter
hineinwandern, was ja auch hier bei Susanne Bender beabsichtigt
ist.
Der begriff „Zwielicht taucht in Beschreibungen von konkreter
Kunst auf. Aber diesen begriff gibt es auch, wenn von Lichtkunst
die Rede ist. Und das macht die Sache jetzt spannend. Besonders
das Neonlicht hat die Eigenschaft, Raumwirkungen und
Materialeffekte zu differenzieren, den Raum neu zu definieren
und sich langsam zu entfalten. Tritt das Neonlicht in der Kunst
auf, so entsteht ein dämmriges Zwielicht. Die Lichträume von
James Turrell schaffen eine solche Zwielichtsituation, wie sie
sich auch an Susanne Benders Arbeiten beobachten lässt. Die mit
elektrischem Licht hergestellten Räume sind voller leuchtender
athmosphärischer Bewegung, die an Nebel erinnert. Dieser Effekt
entsteht, wie bei Susanne Bender, wenn Neonlicht mit
Glühbirnenlicht in Konkurrenz tritt. Einmal sind es also
Lasuren, die es erzielen, dass sich eine Raumwirkung ausbreiten
kann und einmal ist es das Neonlicht, dass diese Wirkung
schafft. Susanne Bender kann sich der Gattung der Lichtkunst
bedienen, um ihre künstlerischen Ziele zu stützen, zu klären und
weiter zu führen. Spätestens seit im Jahre 1930 Laslo Moholy
Nagy sein Lichtrequisit der Öffentlichkeit vorstellte, ist das
elektrische Licht ein Medium der bildenden Kunst. Mit der Arbeit
der Gruppe Zero in den 60 er Jahren wurde das elektrische Licht
zu einem geläufigen künstlerischem Medium.
Jede Aktion, die Susanne Bender am Bild vollführt hat, wird
durch die Verwendung der Hinterleuchtung sichtbar gemacht. Der
Bau des Rahmens, die Grundierung, alle Farbschichten und
Lasuren, jeder einzelne Pinselstrich erscheint durch das
elektrische Licht vor den Augen des Betrachters. Susanne Bender
sagt:“ Hier stehst du jetzt vor der Summe aller Handgriffe, die
du am Bild vollzogen hast.“ Die Gewissheit der Offenlegung des
gesamten malerischen Vorganges macht die Arbeit am Bild zu einem
Werk allergrößter Konzentration. Die Transparentmachung gilt für
das ganze Bild mit allen seinen Vorarbeiten. Die
Grundvoraussetzung der konkreten Malerei forderte ja einen
rationalen Vorgang, der die Gestaltungselemente erforschen soll.
Ein solcher rationaler Prozess wird bei Susanne Bender auf den
ganzen Herstellungsprozess des Bildes ausgeweitet. Alles muss im
Voraus in einem Denkprozess erfasst sein und das ist ein hoher
Anspruch.
Normalerweise ist das Bild zweidimensional. In dem Moment, wo es
beleuchtet wird, bewegt die Farbe sich in den Raum hinein, wird
dreidimensional und es entsteht ein farbiges Fluidum vor dem
Bild, das den Betrachter umfängt und einhüllt. Die Materialien
der Malerei werden durch die hinten angebrachte Beleuchtung
gleichsam entmaterialisiert. Susanne Bender will den Betrachter
animieren, sich längere Zeit vor den Bildern aufzuhalten, die
Bewegung des Lichtes zu beobachten. So zielt die Lichtkunst auf
etwas ab, worauf auch die konkrete Malerei neben ihrem
rationalem Grundtenor abzielt: Auf einen meditativen Charakter.
Susanne Bender spricht davon, dass ihr etwas daran liegt,
seitdem sie mit dem Licht arbeitet, immer mehr in der
Bescheidenheit und Schlichtheit zu differenzieren. Auch der
konkreten Malerei ist es ein wichtiges Anliegen, die Farbe in
den Raum hinein sich ausbreiten zu lassen, eine meditative
Athmosphäre zu erzeugen. Diese Intention, der auch Susanne
Bender folgt, bekräftigt sie durch die Verwendung von Licht.
Susanne Bender hat nicht immer elektrisches Licht in ihrer
Arbeit verwandt. Sie malte gegenständlich, auch surrealistisch.
Mit dem Einsatz des Lichtes verschwanden die figürlichen
Elemente aus den Bildern. Mit der Verwendung von Licht werden
von ihr stattdessen zunehmend Flüssigkeiten als Malsubstanzen
verwendet, die auf der Leinwand ausgeschüttet werden. Das
elektrische Licht selbst hat etwas fluides, auf das die Malerei
mit dem Einsatz von flüssigen Malsubstanzen antworten kann. In
der konkreten Malerei gibt es auch diese Tendenz, die Farbe als
etwas transparent Liquides aufzufassen und so zu verwenden.
Durch die Beleuchtung wird bei der Verwendung von flüssigen
Substanzen dann sogar die Geschwindigkeit des Malvorganges
sichtbar gemacht. Der Pinselstrich darf nicht absetzen, weil
jede Unterbrechung des Malens später am Bild sichtbar wird. Der
Arbeitsvorgang sieht dann so aus, dass eine sehr hohe
Konzentration und Bündelung der Kraft der Künstlerin gefordert
ist. Auch die Atmung muss dieser Vorgehensweise angepasst
werden.
Nur Susanne Bender arbeitet als Künstlerin so, die konkrete
Malerei mit elektrischem Licht zu kombinieren. Die rationale
Beschäftigung mit Malerei, dem Einsatz der Farbe als ein
flüssiges Medium und das Interesse an der meditativen
Kunstbetrachtung, diese Punkte führen Susanne Bender ganz
folgerichtig und völlig konsequent zur Verwendung von
elektrischem Licht. Alles das und die Disziplin der
Transparentmachung des Herstellungsvorganges zeigt die
Unbeirrbarkeit des künstlerischen Konzeptes und macht die hohe
Qualität der Werke von Susanne Bender aus.
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